Unternehmensnachfolge / vorweggenommene Erbfolge

Umsetzung der Nachfolge bereits zu Lebzeiten

19.05.2014 | Helmut Cramer – Fachkanzlei für Unternehmensnachfolge in Münster und Coesfeld

Die Gestaltung der Unternehmensnachfolge erschöpft sich nicht in der Abfassung eines Testamentes. Ein Testament ist eine Notfallmaßnahme für den Fall des Todes
(siehe Unternehmensnachfolge/Unternehmertestament).

Ein Testament kann ein strukturiertes Herangehen an die Gestaltung der Nachfolge nicht ersetzen. Eine Nachfolgeregelung sollte nicht nur Szenarien für den plötzlichen Ausfall des Unternehmers durch Krankheit oder Tod, sondern ggf. auch für einen geplanten (schrittweisen) Ausstieg und die Übertragung auf den Nachfolger umfassen. Eine Unternehmensnachfolge ganz oder teilweise bereits zu Lebzeiten hat folgende Vorteile:

No. 1: Verminderung unternehmerischer Risiken

Bei Unternehmen ist eine rechtzeitige Nachfolge oft existenziell wichtig für deren Fortbestand. Viele Risiken und Unwägbarkeiten, die sich bei der Nachfolge von Todes wegen ergeben können, lassen sich vermeiden. Der Unternehmer kann auf neue unternehmerische Entwicklungen durch die Einbindung eines jüngeren Nachfolgers reagieren, diesen noch selbst einsetzen, begleiten und ggf. auf unerwünschte Entwicklungen noch selbst reagieren. Möglich ist ein gleitender Übergang sowohl bei der Gesellschafterstellung wie auch der Geschäftsführung.

STEUERN

No. 2: Optimierung der Erbschaftssteuer

Unmittelbarer Anlass für die vorweggenommene Erbfolge im Unternehmen ist oft die Notwendigkeit, Erbschaftssteuer zu vermeiden bzw. zu minimieren.

So können bei einer vorweggenommenen Erbfolge zu Lebzeiten die persönlichen Freibeträge (pro Elternteil für jedes Kind alle 10 Jahre 400.000,- Euro) bei frühzeitiger Einleitung der Nachfolge ggf. mehrfach in Anspruch genommen werden.

Bei Unternehmen ist ggf. die Nachfolge akut vorzuziehen, da eine Abschaffung der Steuerbegünstigungen für Betriebe droht. Der Bundesfinanzhof hält die Erbschaftssteuer für verfassungswidrig und hat sie dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Mit einer Entscheidung ist in Kürze zu rechnen.

No. 3: Vermeidung einkommenssteuerrechtlicher Fallstricke

Alle Nachfolgeregelungen sind nicht nur auf ihre erbschaftssteuerliche, sondern vor allem auch auf ihre einkommenssteuerliche Relevanz zu überprüfen. Das Ziel ist in der Regel eine einkommenssteuerfrei Übergabe des Betriebes und der Gesellschaftsanteile zum Buchwert. In der Praxis wird nicht selten die hohe Komplexität der Regelungen zur steuerfreien Buchwertübertragung übersehen, sodass steuerlich hohe existenzgefährdende Entnahmen drohen.

REGELUNGSEBENEN

No. 4: Sorgfältige Ausarbeitung des Übergabevertrages

Die Umsetzung der vorweggenommenen Erbfolge erfordert ein Bündel von rechtlich und steuerlich aufeinander abgestimmten Maßnahmen, um die angestrebten Ziele sicherzustellen. Im Vordergrund steht der Übergabevertrag.

Während die Nachfolge durch Testament gesetzlich umfassend im Erbrecht geregelt ist, findet sich im BGB keine zusammenhängende Regelung der vorweggenommenen Erbfolge. Da der Rückgriff auf eine ergänzende gesetzliche Regelung erschwert ist, ist die Nachfolge m Übertragungsvertrag präzise und umfassend zu regeln, will man nicht später unliebsame Überraschungen bedingt durch Vertragslücken erleben.

Die Vertragstypik ist unterschiedlich, je nachdem ob die Nachfolge an den Ehegatten oder die Kinder erfolgt. Schwerpunkte sind neben der steuerlichen Optimierung (No. 1 und 2) in der Regel die Sicherstellung der Versorgung des Übergebers bzw. seines Ehegatten (No. 4) und die Störfallvorsorge durch die Vereinbarung von Rücktrittsrechten ( No. 5). Weitere Zwecke können je nach Bedarf die Ausschaltung von Pflichtteilsrechten weichender Kinder, die nicht als Nachfolger vorgesehen sind, die Freistellung des Übergebers von Lasten und Haftungen oder die des Übernehmers von Altlasten sein etc.

No 5: Anpassung der Unternehmensverträge

Bei der (gleitenden) Übergabe des Unternehmens zu Lebzeiten ist wichtig, dass die Gesellschaftsverträge der Unternehmen an die Nachfolge und die Regelungen im Übergabevertrag angepasst werden.

Zum einen ist dies steuerlich geboten. Speziell bei komplexen Gesellschaftsstrukturen mit einer Verpachtung der Betriebsimmobilie durch den Inhaber an die Betriebsgesellschaft (Fälle der Betriebsaufspaltung bzw. des Sonderbetriebsvermögens) kann es ansonsten leicht zu Verwerfungen kommen.

Zum anderen ist es wichtig, während der Übergangsphase eine Beteiligung des Übergebers an Entscheidungen und den Gewinnen des Unternehmens gesellschaftsvertraglich abzusichern. Eine entsprechende Anpassung der Unternehmensverträge sollte parallel bzw. vor dem Abschluss der Übergabeverträge (s.o. No.1) erfolgen.

No. 6: Poolung der Unternehmensanteile in Familiengesellschaften

Ist ein generationsübergreifender Zusammenhang des Unternehmens und der Gesellschaften bezweckt, können diese zusätzlich noch in einer vermögensverwaltenden Familiengesellschaft gepoolt und einheitlich verwaltet werden. Mehr…

No. 7: Vorsorgevollmacht

Bei einer vorweggenommenen Erbfolge in Teilschritten dürfte für das Unternehmen im Krankheitsfall des Übergebers eine Vertretung durch den/die Nachfolger zwar sichergestellt sein. Trotzdem empfiehlt sich in der Regel auch für den unternehmerischen Bereich noch die Begründung einer Vorsorgevollmacht, wenn der Übergeber sich noch gewisse Gesellschaftsanteile, Beteiligungsrechte oder gar eine verpachtet Betriebsimmobilie vorbehalten hat. Nur so kann verhindert werden, dass ein gesetzlicher Betreuer über Unternehmensteile bzw. –rechte verfügen kann.

No. 8: Ergänzendes Testament

Ein ergänzendes Testament ist nach wie vor geboten. Das gilt vor allem dann, wenn die betriebliche Nachfolge zu Lebzeiten noch nicht vollständig abgeschlossen wurde bzw. noch Privatvermögen vorhanden ist.

REGELUNGSSCHWERPUNKTE

No. 9: Versorgung des Übergebers und seines Ehegatten

Eines der zentralen Themen bei der vorweggenommenen Erbfolge ist die Versorgung des Übergebers und seines Ehegatten. Hier gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, die sich in ihren steuerlichen Auswirkungen und den Absicherungen unterscheiden. Diese reichen von einem Verkauf mit der Möglichkeit, zusätzliches Abschreibungsvolumen für den Übernehmer zu generieren, bis zur Übergabe gegen Versorgungsrente, die der Übernehmer steuerlich abziehen kann.

No. 10: Verbleib des Unternehmens in der Familie

Bei einer vorweggenommenen Erbfolge an die eigenen Kinder möchte der Übergeber in der Regel sicherstellen, dass das Unternehmen in der Blutslinie bleibt und nicht Vermögensteile auf die Schwiegerkinder übergehen. Probleme können sich im Falle einer Scheidung des Nachfolgers ergeben, da bei der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft Wertsteigerungen während der Ehe bei dem übertragenen Unternehmen auszugleichen sind. Ein Vermögensübergang ist auch zu befürchten, wenn das eigene Kind vor seinem Ehegatten versterben sollte. Selbst wenn dieses dann die eigenen Kinder als Nachfolger für das Unternehmen als Erben eingesetzt hat, könnte der überlebende Ehegatte seinen gesetzlichen Pflichtteil fordern. Für diese Fälle ist Vorsorge durch bestimmte Vorgaben im Übergabevertrag in Verbindung mit Rücktrittsklauseln zu treffen

No.11: Vereinbarung von Rücktrittsrechten

Wer sich für eine vorweggenommene Erbfolge entschieden und sein Vermögen weggegeben hat, geht Risiken ein – persönliche Lebensverhältnisse und Umstände können sich schließlich noch ändern. Lediglich für den Fall der Verarmung oder groben Undanks des Beschenkten hat das Gesetz Vorkehrungen getroffen. Für alle anderen Fälle, etwa bei Scheidungen, Insolvenzen oder Todesfällen, ist vertraglich im Übergabevertrag durch die explizite Vereinbarung von Rücktrittsrechten Vorsorge zu treffen.

No. 12: Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen

Die Einsetzung eines oder mehrerer Kinder als Unternehmensnachfolger führt zu der Frage, wie die weichenden Kinder, die nicht als Nachfolger vorgesehen sind, vermögensmäßig bedacht werden. Dabei geht es nicht nur um ein Gerechtigkeitsproblem. Vielmehr steht den weichenden Kindern beim Tod der Eltern ein Pflichtteil in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils zu.

Ist die Erbmasse bereits durch eine vorweggenommene Erbfolge zu Lebzeiten gemindert worden, kann der Pflichtteilsberechtigte einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Grundsätzlich ziehen alle Schenkungen des Erblassers innerhalb der letzten 10 Jahre vor seinem Tod einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach sich. Nach einer gesetzlichen Neuregelung sind jedoch nur die Schenkungen im letzten Jahr vor dem Tod voll zu berücksichtigen. Für jedes weitere verstrichene Jahr ist der Wert der zu berücksichtigenden Schenkung um ein weiteres Zehntel zu mindern. Die vorweggenommene Erbfolge stellt somit grundsätzlich ein probates Mittel dar, Pflichtteilsansprüche zu mindern.