Unternehmensnachfolge / Unternehmertestament

Notfallszenario für den Fall des Todes oder plötzlicher Krankheit

18.05.2014 | Helmut Cramer – Fachkanzlei für Unternehmensnachfolge in Münster und Coesfeld

Bei den meisten Familienunternehmen wird vorrangig die Nachfolge in der Familie angestrebt. Eine geeignete Nachfolgeplanung sollte frühzeitig begonnen werden.
Bereits vor der geplanten Übergabe des Unternehmens sollte ein
Notfallszenario für den Fall des Todes oder der plötzlichen Krankheit vorhanden sein.

Kernelement des Notfallszenarios ist das Unternehmertestament. Häufig wird jedoch verkannt, dass für ein Unternehmertestament nicht dieselben Spielregeln gelten wie für Nachfolgeregelungen im privaten Vermögensbereich. Folgende Punkte sollten beachtet werden:

No. 1: Herbeiführung der Übernahmefähigkeit des Unternehmens

Ggf. ist das Unternehmen bereits vor einem Übergang umzustrukturieren. Bei Einzelunternehmen besteht folgende typische Interessenlage: Der Übernehmer haftet hier für alle Verbindlichkeiten des Unternehmens, was dieser aus nachvollziehbaren Gründen in der Regel nicht möchte. Darüber hinaus ist gar die gesamte Erbschaft mit den Unternehmensrisiken behaftet. Um dies zu vermeiden, bietet sich z.B. die rechtzeitige Umstrukturierung des Einzelunternehmens in eine GmbH & Co. KG an. Auch bei komplexen Gesellschaftsstrukturen (s.u. No. 10) kann eine vorzeitigen Umstrukturierung des Unternehmens geboten sein.

No. 2: Rechtzeitigkeit der Errichtung eines Testaments

Ich stelle immer wieder fest, dass viele Unternehmer keine erbvertraglichen oder testamentarischen Regelungen getroffen haben. Regelmäßig wird übersehen, dass die Notwendigkeit einer letztwilligen Verfügung nichts mit dem Alter des Unternehmers zu tun hat. Übersehen wird, dass das Unternehmertestament eine notwendige Maßnahme zur Störfallvorsorge für den Fall eines unerwarteten frühzeitigen Todes des Unternehmers darstellt.
Ein Testament oder Erbvertrag ist daher für jeden Unternehmer in jeder Phase seines Unternehmens zwingend erforderlich. Dies gilt erst recht, wenn der vorgesehene Unternehmensnachfolger nicht der alleinige gesetzliche Erbe ist.  

No. 3: Regelmäßige Überprüfung der Erbverträge und Testamente

Ist dem Unternehmer einerseits die Errichtung eines Testamentes oder Erbvertrages zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu empfehlen, muss andererseits sichergestellt werden, dass das Testament oder der Erbvertrag an veränderte Rahmenbedingungen angepasst wird. Diese betreffen nicht nur veränderte familiäre Verhältnisse, sondern vor allem auch Änderungen der Unternehmensverhältnisse und der rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen.

No. 4: Vermeidung einer Erbengemeinschaft

Bei fehlendem Testament und mehreren Erben oder bei einer testamentarischen Einsetzung mehrer Erben entsteht eine Erbengemeinschaft. Bei einer solchen Erbengemeinschaft ist schon vom Grundsatz Streit vorprogrammiert, vor allem wenn die Rechte und Pflichten der einzelnen Miterben in der letztwilligen Verfügung nicht eindeutig festgelegt sind. Werden die erbrechtlichen Auseinandersetzungsansprüche kompromisslos geltend gemacht, gefährdet dies den Bestand des Unternehmens. Bei einem Unternehmen führt eine Erbengemeinschaft oft geradezu in die Katastrophe. Ein Unternehmen lässt sich im Regelfall nicht in Form einer Erbengemeinschaft führen, da diese sich von ihrer Struktur nicht für eine Teilnahme am Geschäfts- und Rechtsverkehr eignet.

No. 5: Richtige Erbeneinsetzung

Während aus der Sicht des Erblassers meist eine gerechte Verteilung des Privatvermögens auf mehrere Erben im Vordergrund steht, muss das Unternehmertestament sicherstellen, dass im Erbfall der Übergang des Unternehmens die Unternehmensnachfolge reibungslos erfolgen kann. Dies erfordert im Regelfall, dass nur vorgesehene Nachfolger als Erben eingesetzt werden.
Die Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben („Berliner Testament“) oder zum Vorerben ist bei kleineren privaten Vermögen zwar sehr beliebt und mag dort auch gerechtfertigt sein, wird den Bedürfnissen der Unternehmensnachfolge aber im Regelfall nicht gerecht werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Zeit für einen Generationenübergang reif ist und der Ehegatte als Unternehmensnachfolger nicht in Betracht kommt. 
Sollten die Kinder noch klein sein bzw. sich ein Unternehmensnachfolger noch nicht abzeichnen, sollte ggf. dem Ehegatten die Befugnis zur Bestimmung des Unternehmensnachfolgers eingeräumt werden.

No. 6: Vermeidung von testamentarischen Bindungen

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament geht als Grundsatz von der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen der Ehegatten aus: Ein Ehegatte ist nach dem Tode des anderen nicht mehr berechtigt, die gemeinsam getroffenen Verfügungen einseitig zu ändern. In Bezug auf das Unternehmensvermögen können solche Bindungen kontraproduktiv sein, da der überlebende Ehegatte auf veränderte persönliche, unternehmerische, rechtliche bzw. steuerliche Umstände nicht mehr reagieren kann. Daher ist es geboten, den überlebenden Ehegatten bei unternehmensbezogenen Verfügungen in einem Ehegattentestament von Bindungen an die gemeinsam getroffenen Verfügungen weitgehend freizustellen.

No. 7: Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen (Kinder)

Mittelständische Unternehmer haben oft den weitaus überwiegenden Teil ihres Vermögens im Unternehmen gebunden. Die Einsetzung eines oder mehrerer Kinder als Unternehmensnachfolger führt zu der Frage, wie die weichenden Kinder, die ich Nachfolger im Unternehmen werden, vermögensmäßig bedacht werden. Dabei geht es nicht nur um ein Gerechtigkeitsproblem. Vielmehr steht den weichenden Kindern ein gesetzlicher Pflichtteil in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils zu. Dessen Höhe richtet sich beim Unternehmen in der Regel nach dessen Verkehrswert aus.
Pflichtteilsansprüche können den Berechtigten bis auf wenige Ausnahmefälle nicht einseitig genommen werden. Hier hilft nur die vorbeugende Gestaltung zu Lebzeiten. Einen wirksamen Schutz bieten hier zu Lebzeiten getroffene Pflichtteilsvereinbarungen. Zur Sicherung der Unternehmensnachfolge sollte auf jeden Fall diese Gefahrenquelle schon zu Lebzeiten beseitigt werden. Gelingt eine Einigung nicht, kann dem Unternehmen durch weichende Erben dringend benötigte Liquidität entzogen werden.
Eine besondere Schwierigkeit stellt die Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen beim Behindertentestament dar. Hierzu mehr in einem gesonderten Artikel.

No. 8: Versorgung des Ehegatten

Da der Ehegatte vor allem im fortgeschrittenen Alter als Unternehmensnachfolger ausscheidet, ist bei Tod des Unternehmers die Versorgung seines Ehegatten ein zentrales Thema. Soweit ausreichend privates und nicht im Unternehmen gebundenes Vermögen vorhanden ist, ist diese Aufgabe leicht zu bewerkstelligen. Soll die Versorgung des Ehegatten über das Unternehmen erfolgen, sind u.a. folgende Punke zu beachten:
Zahlungen aus dem Betrieb unterliegen dem unternehmerischen Risiko und sollten daher so weit wie möglich abgesichert werden, z.B. durch Eintragung von Grundschulden oder Bürgschaften. Ein steuerlich komplexes Thema ist der typische Fall der Übertragung des Betriebs gegen Zahlung einer Versorgungsrente. Deren steuerliche Berücksichtigung ist in den letzten Jahren immer weiter eingeschränkt worden. Das einschlägige BMF-Schreiben vom 11.3.2010 (4. Rentenerlass) enthält allein 90 zu beachtende Textziffern.

No. 9: Planung der Erbschaftssteuer

Das effektivste Modell zum Sparen von Erbschaftssteuer ist die Inanspruchnahme der hohen persönlichen Freibeträge bei der Erbschaftssteuer bzw. Schenkungssteuer alle 10 Jahre durch eine zeitlich versetzte vorweggenommene Erbfolge.

Aber auch eine Erbfolge von Todes wegen will unbedingt lange vorher geplant sein.
Die Planung beginnt mit dem richtigen Güterstand (die modifizierte Zugewinngemeinschaft ist der Gütertrennung unbedingt vorzuziehen), geht über Anpassung beim Berliner Testament bis zu den Planungen für eine Inanspruchnahme von sachlichen Befreiungen bei Immobilien und Unternehmen. Bei Unternehmen ist in regelmäßigen Abständen ein sogenannter Verwaltungsvermögenstest zu machen, denn bei einem Anteil des schädlichen Verwaltungsvermögens über 50 % entfällt jegliche erbschaftssteuerliche Befreiung.

No. 10: Vermeidung von ertragssteuerlichen Fallstricken

Das einkommensteuerrechtliche Gefahrenpotenzial einer testamentarischen Unternehmensnachfolge ist erheblich und wird weithin unterschätzt.
Das gilt für die ungeregelte Unternehmensnachfolge und die Erbengemeinschaft. Und z.B. dann, wenn einer der Erben seinen erbrechtlichen Anteil am Unternehmen einem anderen Erben gegen Zahlung einer Abfindung überlässt. Der Streit darüber, wer von den Erben solche zusätzlichen Belastungen bezahlen soll, ist in solchen Fällen vorprogrammiert.
Bei der geregelten Nachfolge ist bei den in der Praxis häufig anzutreffenden hybriden Gesellschaftsstrukturen besondere Vorsicht geboten. Sowohl beim Betrieb eines Unternehmens in Form einer GmbH als auch einer GmbH & Co. KG ist es üblich, dass die Betriebsimmobilie im Eigentum der Gesellschafter bleibt und von diesem nur an die Gesellschaft vermietet wird. Man spricht dann steuerlich von einer Betriebsaufspaltung bzw. Sonderbetriebsvermögen. Bei solchen Strukturen kann es schnell zu unbeabsichtigten einkommensteuerpflichtigen Entnahmen der Immobilie oder von Gesellschaftsanteilen kommen

No. 11: Abstimmung Testament und Gesellschaftsverträge

Bei Gesellschaftsbeteiligungen ist auf eine sorgfältige Abstimmung zwischen Testament und Gesellschaftsvertrag zu achten.
Die Unternehmensnachfolge für Beteiligungen an Gesellschaften kann weitgehend bereits im Gesellschaftsvertrag einer Personen- oder Kapitalgesellschaft abschließend angeordnet werden.
In der Praxis erfolgt die Anordnung der Nachfolge jedoch meist per Testament. Im Gesellschaftsvertrag selbst werden nur die Rahmenbedingungen für die Nachfolge geregelt. Solche erbrechtlichen Nachfolgeregelungen kommen aber nur zum Zuge, wenn der Erblasser eine auf den Gesellschaftsvertrag abgestimmte letztwillige Verfügung getroffen hat.
Beispiel: Im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft ist geregelt, dass nur leibliche Nachkommen Nachfolger sein können. Bestimmt das Testament dagegen eine andere Person als Nachfolger (Ehegatte, Adoptivkinder etc.), scheitert die Nachfolge, da das Gesellschaftsrecht Vorrang vor dem Erbrecht hat  

No. 12: Vorsorgevollmacht

Während das Testament Regelungen für den Todesfall trifft, ordnet die Vorsorgevollmacht die Betreuung und die Vertretung für den Fall einer länger währenden Krankheit. Zwar sollte bereits auf der Ebene des Unternehmens bzw. der Gesellschaft für den Fall der längeren Verhinderung des Unternehmers seine Vertretung sichergestellt sein. Nichtsdestotrotz hat eine Vorsorgevollmacht folgende Vorteile:
Für den unternehmerischen Bereich wird verhindert, dass sich ein möglicherweise fremder Betreuer in die Verhältnisse des Unternehmens einmischt. Schon deswegen sollte ein Unternehmer einen gesetzlicher Betreuer auf jeden Fall durch Begründung einer Vorsorgevollmacht an eine Vertrauensperson verhindern. Es ist darauf zu achten, die Vorsorgevollmacht mit den Vertretungsregeln des Unternehmens abzustimmen.
Für den privaten Bereich ist ebenfalls eine Betreuung und Vertretung durch eine Vorsorgevollmacht sicherzustellen. Nur durch eine umfassende Vorsorgevollmacht wird grundsätzlich verhindert, dass das Vormundschaftsgericht einen Betreuer bestellt.

Scroll Up