Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen – Freiheitsstrafe oder Geldstrafe?

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht & Steuerberater Helmut Cramer – Fachkanzlei für Steuerstrafecht | 05.03.2017

Derzeit gibt es in verschiedenen Bereichen Tendenzen zur Verschärfung des Steuerstrafrechts.  Solche sind sowohl in der Gesetzgebung (Verschärfung des Rechts der Selbstanzeige), der Finanzverwaltung (Einführung der digitalen Betriebsprüfung und des Flankenschutzes) als auch der Rechtsprechung auszumachen. Gravierend ist die neue Rechtsprechung des 1. Senats des BGH zur Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen. Die Schwelle hierzu wurde wesentlich gesenkt, so dass in Zukunft hiervon auch sogenannte Allerweltsfälle erfasst werden können.

Gravierende Folgen bei der Steuerhinterziehung in schweren Fällen 

Bei der Steuerhinterziehung wird unterschieden zwischen der

  • einfachen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft wird und der
  • Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen, bei der die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren beträgt.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen der Steuerhinterziehung ist gravierend. Bei der Steuerhinterziehung in schweren Fällen ist nach dem Gesetz vom Grundsatz bereits eine Freiheitstrafe zu verhängen.

Angemerkt sei, dass die Freiheitsstrafe zunächst auf Bewährung verhängt wird. Erst bei einem Steuerschaden ab 1 Mio. Euro kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur noch bei besonderen Milderungsgründen in Betracht (Urteil des BGH vom 2.12.2008 1 StR 416/08)

 

Neben der unterschiedlichen Strafandrohung ist die Verjährung unterschiedlich: Bei der einfachen Steuerhinterziehung beträgt sie fünf und bei der schweren Steuerhinterziehung zehn Jahre.

Einen weiteren Unterschied gibt es bei der Selbstanzeige. Eine Selbstanzeige ist nur dann wirksam, wenn die Berichtigungen zu allen nicht verjährten Straftaten erfolgt.

Wann liegt eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vor? 

Daher ist es entscheidend, wann eine Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall vorliegt. Die Regelfälle sind in § 370 Abs. 3 AO beschrieben, wobei die Nr. 1 die größte Bedeutung hat:  Danach liegt ein besonders schwerer Fall in der Regel dann vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt.

Bis zur Entscheidung des BGH vom 27.10.2015 – 1 Str 373/15 – wurde differenziert:

In reinen Unterlassungsfällen war das Merkmal der Steuerverkürzung in großem Ausmaß erst ab einem Steuerschaden von 100.000,- erfüllt. Das sind Fälle der verspäteten Abgabe der Steuererklärung oder wenn Umsätze schlicht nicht erklärt wurden.

Dagegen sollte bei typischen Betrugsfällen, wenn nicht vorhandene Betriebsausgabe vorgetäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend gemacht wurde, die Wertgrenze der schweren Steuerhinterziehung bei 50.000,- Euro beginnen.

Steuerhinterziehung in großem Ausmaß: Jetzt stets ab 50.000,- Euro hinterzogener Steuern 

Mit Urteil vom 27.10.2015 hat der Bundesgerichtshof die differenzierte Betrachtung nach Art und Weise der Begehung der Steuerhinterziehung aufgegeben. Ein großes Ausmaß liegt danach bei der jeder Steuerhinterziehung ab 50.000,- Euro vor.

Dadurch wird in der Folge auch der Anwendungsbereich der Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153 a StPO eingeschränkt, die im Falle der Nachzahlung der Steuern bislang noch bis zu einer Steuerhinterziehung von 100.000,- Euro grundsätzlich möglich war.

Strafzumessung im Steuerstrafrecht – Strategien für eine effektive Verteidigung (Ü2) 

In der Praxis ist deshalb zu befürchten, dass sich die Strafzumessung im Steuerstrafecht seitens der Ermittlungsbehörden künftig mehr schematisch an den Wertgrenzen der hinterzogenen Steuern ausrichtet und damit entsprechend verschärfen wird. Dem ist seitens der Verteidigung entgegenzutreten. Hier bieten sich mehrere Ansatzpunkte:

Bei der Verwirklichung mehrerer Steuerhinterziehungen in verschiedenen Jahren sind die Hinterziehungsbeträge nur dann zu addieren, wenn diese in Tateinheit begangen wurde, d.h. die Steuerklärungen gleichzeitig abgegeben wurden.

Eine weitere Strategie ist, die Höhe der Hinterzogenen Steuern anzuzweifeln. Speziell bei Schätzungsfällen ist in der Regel nicht die gesamte vom Finanzamt festgesetzte Mehrsteuer hinterzogen im Sinne des Strafrechts. Nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ muss nicht nur die Steuerhinterziehung dem Grunde nach, sondern auch in Bezug auf die Höhe detailliert nachgewiesen sein.

Unsere Leistungen

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