In meiner anwaltlichen und steuerrechtlichen Praxis stelle ich immer wieder fest, dass Unternehmer bei ihrer Vermögensvorsorge und der Absicherung des Alters das Risiko des unternehmerischen Scheiterns bis hin zur Insolvenz unterschätzen. Erfahrungsgemäß führt eine Insolvenz in der Regel auch zu gravierenden Einschnitten in das Privatvermögen des Gesellschafters bzw. Geschäftsführers einer GmbH.
Gerade erfolgreiche Unternehmer versäumen es, rechtzeitig Vorsorge zu treffen. Typisch hierfür ist der Fall der Familie Schlecker, die angesichts eines jahrelang florierenden Geschäftsmodells ihrer Drogeriekette wenig Anlass für vorsorgende Vermögensübertragungen gesehen hatte. Die dann zu spät erfolgten Übertragungen von Vermögen wie z.B. der Familienvilla wurden vom Insolvenzverwalter erfolgreich angegangen.
Das alles führt zu der entscheidenden Frage, warum eine GmbH nicht vor solchen Konsequenzen schützt, wo die Fehler liegen und wie diesen ggf. vorgebeugt werden kann.
Ausgangspunkt für die Insolvenzanfechtung ist der Umstand, dass im Regelfall im insolventen Unternehmen kaum noch verwertbare Aktiva. Insolvenzverwalter konzentrieren sich in dieser Situation darauf, Haftungsansprüche der GmbH gegen Geschäftsführer und Gesellschafter geltend zu machen.
Da mit der Unternehmensinsolvenz jedoch meist auch eine Vermögenslosigkeit der Gesellschafter einhergeht, sollte man annehmen, dass die Geschichte hier zu Ende ist und der „Kaiser sein Recht verwirkt“ hat. Wäre da nicht das Institut der Insolvenzanfechtung.
Dabei geht es darum, dass im Vorfeld der Insolvenz Vermögenswerte an Dritte, oft Angehörige, übertragen, sprich „verschoben“, wurden. Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger sollen diese wieder zur Insolvenzmasse zurückgeholt werden, was zunächst voraussetzt, dass der Insolvenzverwalter diese Übertragungen anficht und die Vermögenswerte von dem Vermögensempfänger zurückfordert.
Welche Zahlungen bzw. Vermögensübertragungen sind anfechtbar? Die Insolvenzordnung regelt in §§ 129 ff detailliert, wann eine Vermögensübertragung anfechtbar ist. Dabei sind im Wesentlichen drei Kriterien maßgeblich:
Da ist zum einen das Zeitkriterium. Je kürzer der zeitliche Abstand ist, in welchem die Übertragung vor Insolvenzeröffnung stattgefunden hat, desto größer sind die Anfechtungsmöglichkeiten.
Ein weiteres Kriterium ist die Person des Vermögensempfängers. Rechtssichere Übertragungen an Angehörige unterliegen gesteigerten Anforderungen.
Schließlich kommt es darauf an, ob der übertragende Eigentümer mit Gläubigerbenachteiligungsabsicht (ggf. mit Wissen des Empfängers) gehandelt hat.
Vereinfacht gilt Folgendes:
- Vermögensübertragungen, die bis 3 Monate vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung stattgefunden haben, sind in der Regel ohne große Schwierigkeiten anfechtbar (§ 130 – § 132 InsO)
- Entgeltliche Übertragungen an Angehörige, die bis zu 2 Jahren vor Insolvenzanmeldung stattgefunden hat, sind ebenfalls ohne große Probleme anfechtbar (§ 133 (2) InsO)
- Unentgeltliche Übertragungen an Angehörige, d.h. Schenkungen, wie sie typischerweise zwischen Angehörigen vorkommen, sind 4 Jahre rückwirkend anfechtbar (§ 134 InsO)
- Bei Gläubigerbenachteiligungsabsicht ist die Übertragung 10 Jahre rückwirkend anfechtbar. Dieser Fall liegt vor, wenn der Gemeinschuldner die Übertragung in der Absicht vorgenommen hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen und der Empfänger der Leistung diese Absicht kannte – was vermutet werden kann, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte.
- Ein Sonderfall sind Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich gleichgestellte Forderungen: Die Anfechtungsfrist beträgt 1 Jahr bei Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen und 10 Jahre bei der Gewährung von Sicherheiten für das Darlehen.
Anfechtungsprozesse können äußerst missliebig sein. Der Vermögensempfänger muss bei Erfolg das erhaltene Vermögen an den Insolvenzverwalter zurückgewähren. Hat der Empfänger für die Übertragung des Vermögens eine Vergütung gezahlt, droht zusätzlich deren Verlust. Nach erfolgreicher Anfechtung kann er die gezahlte Vergütung zwar gegen die Insolvenzmasse geltend machen, jedoch nur noch als Insolvenzforderung, die in der Praxis zu großen Teilen oder ganz ausfällt.
Unwirksame Sicherheiten und Übertragungen: Geben Angehörige oder nahestehende Personen einem Unternehmen finanzielle Hilfen, wird oft übersehen, dass man diese von Beginn an durch vorhandene Sicherheiten (Maschinen, Kundenforderungen etc.) absichern sollte. Nachträglich gewährte Sicherheiten sind meist anfechtbar.
Nicht selten räumen Gesellschaften zwar zeitnah, jedoch ohne fachkundige Beratung Dritten Sicherheiten für Darlehen ein. Sind diese (sehr fehleranfälligen) Sicherheitengewährungen rechtlich nicht wirksam, bedarf es noch nicht einmal einer Insolvenzanfechtung. Der Insolvenzverwalter kann diese Sicherheiten ohne Anfechtung wieder zur Masse zurückholen.
Vorsorgende Übertragungen: Um Vermögensübertragungen insolvenzfest zu machen und sich nicht Strafvorwürfen auszusetzen, ist daher eine rechtzeitige Übertragung, d.h. bei Schenkungen spätestens 4 Jahre vor einem möglichen Antrag auf Insolvenz und vor einer finanziellen Krise des Übertragenden vorzunehmen. Die Anfechtungsfrist kann auf 2 Jahre verkürzt werden, wenn Übertragungen an Angehörige entgeltlich gestaltet werden (z.B. in der Form der Güterstandsschaukel, bei der der Güterstand der Zugewinngemeinschaft zunächst aufgelöst wird und die Vermögensübertragung in Anrechung auf den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten erfolgt).
Beratung: Es kann nicht klar genug zum Ausdruck gebracht werden, dass die Übertragung an Angehörige ein präventives (!) Modell zum Vermögensschutz ist. Durch rechtzeitige und vorbeugende Beratung und Umsetzung in „guten Zeiten“ ist hier viel zu gewinnen.
Kriselt es bereits, ist ebenfalls eine anwaltliche Beratung zwecks Prüfung der o.g. Risiken und eventueller Gegenstrategien dringend geboten. Um überhaupt noch effektiv legale Gestaltungen vornehmen zu können, sollte die Beratung auf jeden Fall aber vor der dreimonatigen Anfechtungsfrist stattfinden.